Verfassungsurteil zur Erbschaftssteuer: Was kommt auf den Mittelstand zu?

Das Bundesverfassungsgericht hat die seit 2009 geltende Reform der Erbschaftssteuer in wichtigen Punkten für verfassungswidrig erklärt. Mit der gesetzlichen Neuregelung war vererbtes Firmenvermögen gegenüber sonstigen privaten Erbschaften steuerlich privilegiert worden. Das verstößt gegen das Gleichbehandlungsprinzip des Grundgesetzes.

Reformziele: Existenzsicherung und Arbeitsplatzerhalt

Die Gesetzesreform verfolgte seinerzeit an und für sich eine gute Absicht. Mit der Steuerverschonung von vererbtem Firmenvermögen sollte ein Beitrag zur Existenzsicherung kleiner und mittlerer Unternehmen und zum Arbeitsplatzerhalt geleistet werden. Ohne Ausnahmeregelung wären viele Betriebe durch Liquiditätsabflüsse aus Erbschaftssteuer-Verpflichtungen existenzbedroht. Das wollte die Regierung verhindern. Diese Zielsetzung wurde vom Bundesverfassungsgericht auch als durchaus legitim anerkannt, die Richter stießen sich aber an der konkreten Umsetzung.

Die Lohnsummen-Klausel und andere Knackpunkte

Damit nach der jetzigen Regelung Steuerverschonung eintritt,

– darf das Betriebsvermögen zu höchsten 50 Prozent aus – nicht produktivem – Verwaltungsvermögen bestehen;
– muss der Betrieb vom Erben mindestens fünf Jahre fortgeführt werden;
– darf die Lohnsumme in diesem Zeitraum 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten.

Diese Lohnsummen-Regelung sollte sicherstellen, dass die Erbschaftssteuerentlastung nur dann greift, wenn kein massiver Arbeitsplatzabbau im Rahmen der Nachfolge stattfindet. Allerdings gibt es bislang eine entscheidende Ausnahme. Für Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern ist die Lohnsummen-Klausel nicht relevant.

Vor allem diese Ausnahme ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen haben unter 20 Beschäftigte und fallen daher unter der Ausnahmeregelung. Die Ausnahme wird damit de facto zur Regel. Eine so weitgehende Steuerentlastung ohne nähere Prüfung der Bedingungen ist nach Ansicht der Richter verfassungswidrig. Darüber hinaus bieten die bestehenden gesetzlichen Regelungen vielfältige missbräuchliche Gestaltungsspielräume und selbst bei Großunternehmen ist ohne nähere Bedürfnisprüfung eine Steuerentlastung möglich. Beides ist ebenfalls nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Großzügige Übergangsfrist

Das Bundesverfassungsgericht hat daher dem Gesetzgeber aufgegeben, künftig strengere Maßstäbe bei der Steuerverschonung anzulegen. Betroffen von einer Neuregelung sind theoretisch rund drei Millionen Familienunternehmen in Deutschland. Dabei gibt es allerdings eine vergleichsweise großzügige Übergangsfrist. Erst bis zum 30. Juni 2016 müssen die bestehenden Ausnahmeregelungen abgeschafft werden. Bis dahin dürfen die Vorschriften weiter angewandt werden.

Der Staat lässt sich dies eine Menge kosten. Seit dem Inkrafttreten der Reform sind durch die Steuerverschonung bis Ende 2012 rund 19 Mrd. Euro an Steuereinnahmen verloren gegangen. Und trotz stark gestiegener übertragener Unternehmensvermögen stagniert die Erbschaftssteuer zwischen 4,3 und 4,6 Mrd. Euro pro Jahr.

Möglichst enge Korrektur

Kurzfristig ändert sich also für vererbtes Unternehmensvermögen gar nichts. Der Bundesfinanzminister hat bereits angekündigt, eine enge Korrektur der gesetzlichen Regelungen vorzunehmen. Das bedeutet, die bestehenden Ausnahmen sollen weniger eingeschränkt als vielmehr verfassungsfest gemacht werden. Unter dem Strich soll dadurch keine zusätzliche gesamtwirtschaftliche Belastung entstehen. Bereits zu Beginn nächsten Jahres will man mit den Ländern über mögliche Ansätze für eine Gesetzeskorrektur sprechen.

Das Fazit lautet: auch in Zukunft dürften die meisten Unternehmen daher weiter von der Steuerverschonung bei der Erbschaftsteuer profitieren. Die Anforderungen an den Nachweis der Förderwürdigkeit könnten aber schärfer werden. Und größere Unternehmen dürften es künftig schwerer haben, mit geschickten Gestaltungen die Erbschaftssteuer zu umgehen.

Freitag, 30. Januar, 2015